Freut euch auf meine Geschichte. 🙂
Erst mal zu meinem Äußeren: Ich bin eine Frau – ich bin nicht mit mir zufrieden. Ich bin ziemlich klein, was ich gar nicht verstehe. André, mein Bruder, ist beinahe zwanzig Zentimeter größer als ich. Er hat ein breites Kreuz und irre dunkelblaue Augen. Ich bin eher zierlich und meine Augen sind blassblau. Beide sind wir blond, aber ich glaube, ich habe mehr Haare. Gut, er trägt seine ziemlich kurz, während meine bis über die Schulterblätter reichen. Nachteil meiner hellen Haare: ich muss mir die Augenbrauen färben lassen und die Wimpern tuschen. Ansonsten fühle ich mich nicht wohl, mein Gesicht sieht dann so leer aus. Ich könnte etwas schlanker sein, aber eigentlich ist mir das ziemlich wurscht und meine Brüste wären dann womöglich auch nicht so, wie sie es jetzt sind. Sie ziehen oft die Blicke der Kerle auf sich. Nicht, dass ich drauf stehe, angestarrt zu werden, aber vielleicht ist ja irgendwann mal einer dabei, der mir als erstes in die Augen sieht. Mit dem würde ich dann vielleicht ausgehen.
Okay, ich hab echt Komplexe. Und ich war als Jungendliche einfach zu … ich will versuchen, mich nicht immer so schlecht zu machen, nennen wir es also naiv.
Wer bereits gelesen hat, wie es meinem Bruder im letzten Jahr gegangen ist, der weiß, dass ich ihn damals ziemlich überrumpelt und im Stich gelassen habe. Es tut mir wirklich leid, doch es ging nicht anders. Und wenn ich nicht wirklich sicher gewesen wäre, dass Merle es bei ihm gut hat, hätte ich es nicht getan.
Merle ist meine Tochter. Sie geht in die erste Klasse während ich im ersten Ausbildungsjahr zur Kauffrau für Büromanagement bin. Wahrscheinlich atmet ihr jetzt erschrocken ein, doch so schlimm ist es nicht. Ich hab sie mit nicht ganz achtzehn bekommen. Ich war jung und ich hätte lieber mein Abi gemacht, aber ich war alt genug, um mich um sie zu kümmern. Leider hatte ich wenig Unterstützung durch meine Mutter, die der Meinung war, wer so blöd ist, sich schwängern zu lassen, der muss auch damit klarkommen.
Was ihr auch ziemlich gegen den Strich ging, genauso wie André, ist die Tatsache, dass ich ihnen bis heute nicht erzählt habe, wer Merles Vater ist. Doch, ich weiß es. Ich bin ja keine Schlampe. Aber ich kann es nicht riskieren, dass André die Wahrheit erfährt. Und deshalb darf es niemand wissen.
Auf jeden Fall habe ich mich im letzten Jahr in den falschen Mann verliebt. Es ist mir echt peinlich, aber ich bin tatsächlich schwanger geworden. Ihr könnt euch nicht vorstellen, was das für mich bedeutete. Ich habe eh kaum etwas auf die Reihe bekommen, der Kerl hat mich fallengelassen, wie eine heiße Kartoffel und ich bin in Panik geraten. Er hat nicht mit sich reden lassen, hat mich sogar bedroht. Also hab ich es wegmachen lassen.
Aber diese Tatsache hat mich dann komplett fertiggemacht. Ich konnte mit der Schuld nicht leben und habe einen Haufen Tabletten geschluckt. André hat mich gefunden und sie haben mich wieder hingekriegt. Dann habe ich ziemlich schnell einen Platz in einer Klinik bekommen. Ich fands furchtbar da. Ich bin abgehauen. Nicht einfach so. Ich hab mich selbst entlassen.
Meine beste Freundin Mel ist vor vielen Jahren weggezogen. Deshalb sehe ich sie nicht oft. Ansonsten habe ich auch kaum Freunde. Mel hat mich bei sich aufgenommen. Ihr glaubt gar nicht, wie gut es tat, endlich jemanden zu haben, der mich versteht und für mich da ist. Sie hat mich zu einem Therapeuten geschickt und wir haben viel geredet.
Als es mir besser ging und ich einigermaßen sicher war, dass ich wieder klarkomme, bin ich zurückgekehrt. Sehr zum Missfallen meines Bruders. Er war richtig sauer auf mich, was ich ihm nicht verdenken kann. Dabei bin ich ihm so dankbar, dass er sich für ein halbes Jahr so toll um Merle gekümmert hat. Mittlerweile kann ich verstehen, warum er sie nicht wieder abgeben wollte. Das habe ich ehrlich gesagt nicht, als ich gerade zurück war.
Umso besser ist es, dass ich dank seiner Freundin mit meiner Tochter die Wohnung über den beiden beziehen konnte. Wir kommen jetzt einigermaßen klar und ich hoffe, dass wir irgendwann eine richtige Geschwisterbeziehung führen können.
André hilft mir total mit Merle, außerdem bezahlt er meinen Führerschein. Er will unbedingt, dass ich den mache. Das war eine der Bedingungen, oben einziehen zu dürfen. Sicher hat er recht, dass der irgendwann nützlich ist, auch wenn ich mir derzeit sicher kein Auto leisten kann.
Eine weitere Bedingung war, nicht so zu werden, wie unsere Mutter. Das möchte ich gar nicht und bin froh, wenn er mich darauf aufmerksam macht, in schlechte Muster zu verfallen.
Alles läuft mittlerweile einigermaßen und ich fühle mich nicht mehr so schlecht. Ab und zu überkommt es mich noch, aber ansonsten geht es. Ich denke, mich wird die abgebrochene Schwangerschaft bis an mein Lebensende verfolgen. Nur, dass ich jetzt besser mit den Gefühlen umgehen kann.
Ich hoffe, ich lerne irgendwann einen Mann kennen, der mich wirklich gern hat und nicht nur mit mir ins Bett will. Er müsste natürlich auch Merle in sein Herz schließen. Im Moment kann ich mir nicht vorstellen, dass es einen solchen Mann gibt. Aber man soll die Hoffnung ja nicht aufgeben.
Ach, ich liebe Schokolade. In allen Varianten. Und ich koche gern. Ich trinke so gut wie nie, tanze aber gern. Nur so für mich. Ich höre gern Musik, hab meine Playlists auf meinem Smartphone. Die Musik-App ist eins der wenigen Extras, die ich mir gönne.